Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie: Gesetzgebungsverfahren zum Hinweisgeberschutzgesetz

Die EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937), die bereits im Jahr 2019 verabschiedet wurde, hätte bis zum 17.12.2021 in den Mitgliedstaaten – und damit auch in Deutschland – in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

Da Deutschland die EU-Whistleblower-Richtlinie nicht rechtzeitig umgesetzt hatte, wurde die EU-Kommission Ende Januar 2022 aktiv und hat ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland (und zudem auch 22 weitere Mitgliedstaaten) eingeleitet.

Deutschland reagierte auf die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens damit, dass zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie ein nationales Gesetzgebungsverfahren eingeleitet wurde. Am 13.04.2022 legte das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf für das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen vor (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG). Am 27.07.2022 wurde vom Bundeskabinett der entsprechende Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes verabschiedet und damit das eigentliche Gesetzgebungsverfahren eingeleitet.

Der Bundestag hat am Donnerstag, 29. September 2022, erstmals über den vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten (hierzu vgl. Informationen des Bundestages). Am 16. Dezember 2022 hat der Bundestag das Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. Das Gesetz wird drei Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten. Dies wird dennoch voraussichtlich nicht vor Mai 2023 der Fall sein, denn das Gesetz muss (Stand: 05.01.2023) noch durch den Bundesrat und dieser tagt zum ersten Mal am 10.02.2023.

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz soll nicht nur formal die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt, sondern insbesondere der bislang unzureichende Schutz von hinweisgebenden Personen in Deutschland ausgebaut werden.

Das Hinweisgeberschutzgesetz wird begleitet von notwendigen Anpassungen bestehender gesetzlicher Regelungen, insbesondere auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung und insbesondere des Dienstrechts.

Da das Gesetz zum aktuellen Zeitpunkt nur als ein Regierungsentwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung vorliegt (hierzu vgl. Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses), wird im Folgenden auf diesen durch den Bundestag verabschiedeten Entwurf eingegangen.

Wesentliche Ziele des Hinweisgeberschutzgesetzes

Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes ist es, den Schutz hinweisgebender Personen und sonstiger von einer Meldung betroffener Personen zu stärken und sicherzustellen, dass ihnen im Rahmen der Erfüllung der Vorgaben des HinSchG keine Benachteiligungen bzw. Repressalien (Wortlaut des HinSchG-E; vgl. hierzu § 3 Abs. 6 des HinSchG-E) drohen.

Denn aufgrund unzureichenden Schutzes der hinweisgebenden Personen kam es in der Vergangenheit dazu, dass diese Personen Nachteile erleiden mussten und sie deshalb oft von einer Meldung abgesehen haben, weil sie insb. Repressalien fürchteten.

Umfasst vom Schutz des Gesetzes sind nach dem aktuellen Gesetzesentwurf dabei folgende Personengruppen:

  • Hinweisgebende Person;
  • Personen, die Gegenstand einer Meldung sind;
  • sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen werden.

Repressalien, Androhung und auch ihr Versuch gegenüber Hinweisgeber*innen sind verboten. Um dieses zentrale Ziel zu erreichen, enthält der § 36 Abs. 2 HinSchG-E eine Regelung über eine Beweislastumkehr. Danach wird grundsätzlich vermutet, dass jede Benachteiligung eine Repressalie ist, sofern eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit erfährt. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat (in der Regel der*die Arbeitgeber*in), zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte. Im Fall der Repressalien sieht der § 37 HinSchG-E einen Schadenersatzanspruch der hinweisgebenden Person vor, sofern ihr aus der repressiven Maßnahme ein Schaden entstanden ist. Zudem sieht § 40 Abs. 2 Nr. 3 des HinSchG-E ein Bußgeld für den Fall vor, dass entgegen § 36 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit § 34, jemand eine Repressalie ergreift. Der Bußgeldrahmen liegt hier gem. § 40 Abs. 6 S. 1 HinSchG-E im Bereich von bis zu 100.000 EUR.

Voraussetzungen für den Schutz der hinweisgebenden Person

Die Bedingungen für den Schutz der hinweisgebenden Personen sind in den §§ 33 ff. HinSchG-E enthalten.

Der Schutz gilt für hinweisgebende Personen, sofern

  • diese eine „interne“ oder „externe Meldung“ erstattet hat, im Ausnahmefall wird auch eine Offenlegung geschützt,
  • die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
  • die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des HinSchG fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.

Folgen bei einer falschen Meldung

Zu beachten ist, dass die meldende Person gem. § 38 HinSchG-E schadenersatzpflichtig werden kann, jedoch nur dann, wenn die Falschmeldung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt, denn nach dem Wunsch des Gesetzgebers sollen keine überhöhten Anforderungen an hinweisgebende Personen in Bezug auf die Überprüfung der Richtigkeit der Informationen gestellt werden. Aus diesem Grund besteht der Schutz für die hinweisgebende Person auch in solchen Fällen, in denen sich der Hinweis als nichtzutreffend herausstellt, die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung jedoch davon ausgehen konnte, dass der Hinweis zutrifft.

Der sachliche Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes

Hinweisgebende Personen sollen auf den Schutz des HinSchG vertrauen können, wenn sie Verstöße gegen Vorschriften der Rechtsvorschriften melden, die in § 2 HinSchG-E aufgeführt sind. Dazu gehören insbesondere Verstöße gegen Straf- oder Bußgeldvorschriften, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Die Regelung ist nach dem Willen des Gesetzgebers weit zu verstehen. Darüber hinaus sind alle Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie Rechtsnormen umfasst, die zur Umsetzung europäischer Regelungen getroffen wurden. Beispielsweise Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche, Vorgaben zur Produktsicherheit, zur Beförderung gefährlicher Güter, zum Umweltschutz, Strahlenschutz, zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, etc.

Der Anwendungsbereich des Gesetzes wurde übrigens durch die Beschlussempfehlungen im Rechtsausschuss erweitert. So sollen durch das Gesetz künftig auch hinweisgebende Personen geschützt sein, die verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamt*innen melden. Der Schutz der Hinweisgeber*innen soll dabei auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. In der Begründung beziehen sich die Koalitionsfraktionen explizit auf die Diskussion um den Umgang mit sogenannten „Reichsbürgern“ im öffentlichen Dienst.

So heißt es in der Begründung der Beschlussempfehlung: „Die Verfassungstreue ist insbesondere verletzt, wenn ein Beamter beispielsweise die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt. Er verletzt so seine gesetzlich normierte Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise“. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen mündliche sowie schriftliche Äußerungen, etwa in Chatgruppen, erfasst sein. Aber auch auf andere Weise, etwa durch Gebärden, getätigte Äußerungen fallen unter den Anwendungsbereich des Gesetzes (vgl. Ausführungen zur Begründung der Beschlussempfehlung unter C. zu Art. 1 § 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG, S. 57).

Wahlmöglichkeit zwischen „interner und externer Meldestelle“

Hinweisgebende Personen haben gem. § 7 HinSchG-E die freie Wahl, ob sie sich an eine „interne Meldestelle“ des Unternehmens oder die (noch einzurichtende) „externe Meldestelle“ der Behörden wenden (zu den externen Meldestellen weiter unten mehr). Die meldenden Personen können somit den Meldekanal frei wählen, der sich aus ihrer Sicht am besten eignet.

Pflicht zur Einrichtung einer „internen Meldestelle“ für Beschäftigungsgeber

Damit ein einheitliches und möglichst weitreichendes Schutzniveau erreicht werden kann, wird der Kreis der Beschäftigungsgeber, die eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sogenannte „interne Meldestelle“) trifft, durch den Gesetzgeber weit gefasst. Dies sind neben den Beschäftigungsgebern aus dem privatrechtlichen Bereich (z.B. juristische Personen des Privatrechts wie eingetragene Vereine, eingetragene Genossenschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Stiftungen des Privatrechts, usw.) auch öffentlich-rechtlich organisierte Beschäftigungsgeber (z.B. Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften sowie Verbandskörperschaften auf Bundes- und Landesebene).

Nach § 12 HinSchG-E müssen alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten eine eigene interne Meldestelle einrichten. In § 12 HinSchG-E sind Ausnahmefälle geregelt, bei denen es auf die Anzahl der Beschäftigten nicht ankommt.

  • 14 HinSchG-E erlaubt es, auch einen „Dritten“ mit der Aufgabe einer internen Meldestelle zu beauftragen. Die Regelung bzgl. der Unabhängigkeit der Meldestelle, die notwendige Fachkunde, Regelung zu den internen Meldekanälen, dem Verfahren sowie den Folgemaßnahmen bei internen Meldungen kann den § 15 bis 18 HinSchG-E entnommen werden.

Interessant ist dabei, dass die Pflicht, Verfahren für anonyme Meldungen vorhalten und solche Meldungen bearbeiten zu müssen, sowohl bei internen als auch externen Meldestellen erst nach der Überarbeitung im Rechtsausschuss in den Gesetzesentwurf aufgenommen wurde. Somit müssen Meldestellen entsprechende Vorkehrungen treffen, um auch eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgeber*innen und Meldestelle zu ermöglichen.

Errichtung „externer Meldestelle“

Eine zentrale externe Meldestelle soll gem. § 19 HinSchG-E beim Bundesamt für Justiz eingerichtet werden. Daneben sollen die Länder gem. § 20 HinSchG-E externe Meldestellen einrichten können. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und das Bundeskartellamt werden gem. §§ 20, 21 HinSchG-E für externe Meldestellen für die in diesen Vorschriften geregelten Bereiche erklärt.

Meldungen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz und das Thema Datenschutz

Im Hinblick auf den Datenschutz ist zu beachten, dass der § 10 HinSchG-E folgende Regelung trifft:

„Die Meldestellen sind befugt, personenbezogene Daten zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer in den §§ 13 und 24 bezeichneten Aufgaben erforderlich ist.“

Bezüglich der Organisation der (firmeninternen) Warnsysteme im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes existiert eine Orientierungshilfe der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden aus dem Jahr 2018, die im Rahmen der Umsetzung der Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes durchaus zur Anwendung kommen kann, denn die aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beachtenden Rahmenbedingungen und Vorschriften sind in der o.g. Orientierungshilfe sehr gut beschrieben.

Insbesondere wird in der o.g. Orientierungshilfe darauf hingewiesen, dass ggf. eine Datenschutz-Folgenabschätzung im Einzelfall erforderlich werden könnte (vgl. S. 12 der o.g. Orientierungshilfe).

Entwicklung interner oder Einkauf externer Meldesysteme

Angesichts der nicht unerheblichen Kosten für die Entwicklung einer internen Lösung für ein Meldesystem, die allen gesetzlichen Anforderungen entspricht, dürfte eine interne Lösung sich nur für sehr große Unternehmen lohnen. Für insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen wäre die Inanspruchnahme einer extern betriebenen Lösung wahrscheinlich die bessere und kostengünstigere Alternative.

Anbieter von Meldesystemen

Mittlerweile existieren einige Anbieter solcher Meldesysteme an Markt. Auch die bITs GmbH bietet Ihren Kunden neben der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter den Betrieb eines Meldesystems für den internen Meldekanal an. Der entscheidende Vorteil des Meldesystems der bITs GmbH ist, dass Meldungen entsprechend der gesetzlichen Forderung auch völlig anonym durchgeführt werden können und das System dennoch einen rechtskonformen weiteren Austausch mit den Hinweisgeber*innen (beispielsweise für Rückfragen an die meldende Person) ermöglicht.

Weitere Informationen zum Meldesystem der bITs GmbH finden Sie unter https://www.bits.gmbh/hinweisgebersystem/.

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Die bITs GmbH berät Ihre Kunden zu allen Themen des Datenschutzes und stellt auf Wunsch den externen Datenschutzbeauftragten.

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