10,4 Mio. Euro Bußgeldgeld wegen Videoüberwachung

Über das Thema Bußgeld hatten wir zuletzt vor nicht allzu langer Zeit berichtet. Es ging um das Bußgeld gegen das Unternehmen 1&1 Telecom GmbH in Höhe von 9,55 Mio. Euro, welches durch den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) auf der Grundlage des behördlichen Bußgeldkonzepts berechnet und verhängt worden war. Im anschließenden Gerichtsverfahren wurde das Bußgeld durch das Landgericht Bonn (LG Bonn) auf nur noch 1/10 des ursprünglichen Betrags reduziert (hierzu vgl. unseren Online-Beitrag „Behördliches Konzept zur Bußgeldberechnung auf dem Prüfstand“ vom 14.11.2020).

Wir hatten damals die Entscheidung des Bonner Landgerichts vom 11.11.2020 (Az. 29 OWi 1/20 LG) zum Anlass genommen, uns Gedanken über das Bußgeldberechnungsmodell der Datenschutzkonferenz (DSK) zu machen und uns zu fragen, welche Schwächen des Berechnungsmodells sich im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung nun offenbart haben (zum Bußgeldberechnungsmodell der DSK vgl. unseren Beitrag vom 14.09.2019). In unserem gemeinsam mit der Mauß Datenschutz GmbH betriebenen Podcast „Nichts zu verbergen“ (Link) haben wir uns ebenfalls kürzlich über das Bußgeldberechnungsmodell ausgetauscht.

Kurz zusammengefasst, haben wir festgestellt, dass das Berechnungsmodell insgesamt nicht überzeugt hat und nachgebessert werden muss, wie die Entscheidung des LG Bonn nun deutlich gezeigt hat. Über etwaige Nachbesserungen des Modells haben wir bisher jedoch nichts gehört. Was wir dagegen aktuell gehört haben, war ein weiterer lauter (Bußgeld-)Knall. Getroffen hat es diesmal die notebooksbilliger.de AG.

Was ist vorgefallen?

Das Bußgeld in Höhe von 10,4 Mio. Euro wurde durch die Landesbeauftragte für Datenschutz Niedersachsen (LfD Niedersachsen) verhängt. Wie die LfD Niedersachsen in ihrer Pressemitteilung von 08.01.2021 berichtet, hatte das Unternehmen über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren seine Beschäftigten per Video ohne eine ausreichende Rechtsgrundlage überwacht. Die aus ihrer Sicht unzulässigen Kameras erfassten unter anderem Arbeitsplätze, Verkaufsräume, Lager sowie Aufenthaltsbereiche.

Zur Begründung des Kameraeinsatzes berief sich die notebooksbilliger.de AG darauf, dass die Kameras installiert wurden, um Straftaten zu verhindern und aufzuklären sowie den Warenfluss in den Lagern nachzuverfolgen.

Nach Auffassung der LfD Niedersachsen müsse jedoch ein Unternehmen zur Verhinderung von Diebstählen zunächst mildere Mittel prüfen. Als Beispiel werden von ihr stichprobenartige Taschenkontrollen beim Verlassen der Betriebsstätte genannt. Eine Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten sei aus ihrer Sicht nur rechtmäßig, wenn sich ein begründeter Verdacht gegen konkrete Personen richtet, denn ein Generalverdacht würde keinesfalls ausreichen. Und selbst wenn dies der Fall wäre und die oben genannten Voraussetzungen vorliegen würden, wäre die Videoüberwachung nur für eine begrenzte Zeit zulässig. All diese Voraussetzungen lägen bei notebooksbilliger.de jedoch nicht vor. Die Videoüberwachung war weder auf einen bestimmten Zeitraum noch auf konkrete Beschäftigte beschränkt. Zudem wurden die Aufzeichnungen in vielen Fällen 60 Tage lang gespeichert und damit deutlich länger als erforderlich. Betroffen seien außerdem auch Kundinnen und Kunden des Unternehmens in den Verkaufsräumen gewesen, da einige Kameras auf die Sitzgelegenheiten gerichtet worden seien.

Insgesamt handelte es sich aus Sicht der LfD Niedersachsen um eine unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten, die das hohe Bußgeld rechtfertigen würde.

Was ist von dem Bußgeld zu halten?

Die Datenschutzbehörden scheinen bei der Verhängung von Bußgeldern nach wie vor anhand des rein umsatzbasierten Ansatzes vorzugehen und lassen sich durch die Entscheidung des LG Bonn anscheinend nicht beeindrucken. Zumindest geht aus der Pressemitteilung der LfD Niedersachsen nicht hervor, inwiefern die Kooperationsbereitschaft des Unternehmens sowie weitere Kriterien, die das LG Bonn als zu berücksichtigende Faktoren fordert, angemessen berücksichtigt wurden.

Zur Erinnerung:
Das LG Bonn hat in seiner Entscheidung zu dem Bußgeld gegenüber der 1&1 Telecom GmbH folgende Faktoren bei der Bußgeldzumessung berücksichtigt:

  • Dem Sachverhalt lag lediglich ein Datenmissbrauchsfall zugrunde. Zu einer massenhaften Herausgabe der Daten kam es nicht und konnte voraussichtlich nicht kommen. Es handelte sich somit um einen nur geringen Datenschutzverstoß.
  • Bei Daten, die missbraucht wurden, handelte es sich um keine sensiblen Daten, denn sensible Daten wie z.B. Einzelverbindungsnachweise, Verkehrsdaten oder Kontoverbindungen konnten im Rahmen des unzureichenden Authentifizierungsverfahrens von 1&1 nicht abgefragt werden.
  • Bei 1&1 lag nach Feststellungen des Gerichts kein Vorsatz vor, so dass das Verschulden als gering anzusehen wäre.
  • Die Kooperationsbereitschaft von 1&1 im Rahmen des Bußgeldverfahrens.
  • Bei dem festgestellten Datenschutzverstoß handelte es sich nicht um eine Wiederholungstat.
  • Reputationsschaden von 1&1 durch umfangreiche Berichterstattung.

In der Pressemitteilung der Aufsichtsbehörde wird indessen nicht gesagt, ob an dem rein umsatzbasierten Modell festgehalten wird und ob dabei auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens im Rahmen der Bußgeldzumessung angemessen berücksichtigt wurde. Denn das bloße Abstellen auf den Umsatz birgt die Gefahr, einerseits Unternehmen mit hohem Umsatz und geringen Margen über Gebühr zu belasten und andererseits Unternehmen mit kleinem Umsatz, jedoch mit hohen Margen, entsprechend zu entlasten. Zurecht fordern daher viele Experten, einen stärkeren Blick auf die wirtschaftliche Leistungskraft des betroffenen Unternehmens zu richten. Denn soweit der Umsatz und nicht die Ertragslage eines Unternehmens als Bemessungsgrundlage eines Bußgeldes herangezogen wird, ist es unmöglich, zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen.

Wie der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom e.V.) Herr Dr. Bernhard Rohleder in seinem Interview feststellt: „Das unter den deutschen Aufsichtsbehörden abgesprochene Bußgeldkonzept hat einen Konstruktionsfehler.“ (hierzu vgl. den Beitrag von Bitkom vom 08.01.2021).

Fazit

Gegen die Entscheidung der LfD Niedersachsen hat das Unternehmen notebooksbilliger.de AG bereits Einspruch eingelegt und weitere rechtliche Schritte angekündigt (hierzu vgl. die Pressemitteilung von notebooksbilliger.de AG vom 08.01.2021).

Wenn man die Kriterien, die in der oben zitierten Entscheidung des LG Bonn aufgestellt wurden, berücksichtigt und auf den vorliegenden Fall anwendet, so würde es uns nicht verwundern, wenn das sehr hohe Bußgeld im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung erneut dezimiert würde. Letztendlich hoffen wir dies und gehen auch stark davon aus. Der Datenschutz soll zwar betroffene Personen schützen und den Missbrauch von Daten verhindern, so das erklärte Ziel der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Aber selbst, wenn die DSGVO abschreckende Wirkung durch die Verhängung von Bußgeldern fordert, gehört es dennoch nicht zu den Zielen des Datenschutzes, Unternehmen hierdurch in Existenznöte zu bringen. Die DSGVO spricht übrigens nicht nur von Abschreckung, sondern auch von Verhältnismäßigkeit.

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